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Neu im Schlossparktheater: Tschechows "Onkel Wanja"

ONKEL WANJA - Ein Leben in vier Augenblicken

 

Tragikomödie von Anton Pawlowitsch Tschechow

- neue deutsche Textfassung von Anatol Preissler und Ekaterina Bezghina -

 

Premiere: Sonnabend, 2. September 2023, 20:00 Uhr

Regie und Bühne: Anatol Preissler

Kostüm: Jasper Krafft

 

mit Boris Aljinovic, Helen Barke, Dagmar Bernhard, Dagmar Biener, Tilmar Kuhn, Mario Ramos & Mark Weigel

 

Zum Stück: Drückend schwül ist es, da auf dem Lande. Und während sich Serebrjaków, Professor im vorzeitigen Ruhestand, lieber seiner Gicht hingibt, als sich um seine junge Frau Jeléna zu kümmern, verdreht diese den Männern den Kopf. Astrów, Arzt auf Stippvisite, doziert um sein Leben, Onkel Wanja, Verwalter des Guts, versucht mit Krawatte und psychologischen Finten zu punkten und hasst seine Mutter, die alte Wojnízkaja. Die sucht ihr Heil in ihren Ratgebern und schwärmt doch immerzu nur vom Professor. Nur der Gitarre zupfende Telégin und das alte Kindermädchen, die gute Marína Timoféjewna, bewahren ihren Humor und ihre Ruhe… bis zu dem Augenblick, wo alle Charaktere durcheinanderwirbeln, Sumpfgeister beschworen werden und wild aufeinander geschossen wird.

 

Gemeinsam mit Ekaterina Bezghina schuf Regisseur Anatol Preissler eine geschliffene, neue deutsche Textfassung, die verständlich macht, warum Tschechow viele seiner Stücke als Komödien bezeichnete.

 

„Onkel Wanja“ ist ein berührendes Stück über unerfüllte Träume und die große Sehnsucht nach Liebe, eine heitere, manchmal melancholische, aber immer rabenschwarze Komödie über das Leben auf dem Land in vier Augenblicken.

 

Vorstellungen bis 15. Oktober 2023

Mehr Infos und Karten unter: www.schlossparktheater.de

Goerzallee e.V.

Themenabend Inklusion

Foto: Der Gottwald / www.der-gottwald.de

Text von Sven Goldmann

Später am Abend diskutiert das Publikum im Goerzwerk mit einer Leidenschaft, wie sie selten anzutreffen ist bei einem Thema, das für gewöhnlich in umfassender Einigkeit abgehandelt wird. Es geht um den richtigen Zugang zu einer richtigen Sache, um den angemessenen Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigung oder Behinderung. Zwei Stunden lang hat Professor Frank Schaal, der Chef des Regionalinkubators Südwest (RIK), eine höchst anregende und spannende Unterhaltung moderiert. Über Inklusion als Lösungsansatz für Fachkräftemangel in Unternehmen, Bildungseinrichtungen als Sprungbrett für den Arbeitsmarkt, Inklusionsdienstleister im Spannungsfeld zwischen Alltag und Politik. Alles unter dem schönen Titel „Inklusion Südwest – aus dem Schatten ins Licht“. Includere kommt aus dem Lateinischen und heißt einschließen, bedeutet also das Gegenteil von ausschließen. „Alle sind eine Gemeinschaft“, sagt Frank Schaal.

 

Ein wenig hitzig wird es an diesem warmen Sommertag im lichtdurchfluteten Dachgeschoss des Goerzwerks, als aus dem Publikum die Frage laut wird, ob es denn wirklich und immer Inklusion sein müsse. Also die Schaffung einer Gesellschaft, in der sich nicht der einzelne Mensch anpassen soll, sondern die Rahmenbedingungen auf unterschiedliche Bedürfnisse abgestimmt werden. Ist nicht vielleicht das Konzept der Integration zielführender? Integration setzt voraus, dass sich der einzelne Mensch an vorgegebene Rahmenbedingungen anpassen muss, was in der Praxis dazu führt, dass Menschen mit Behinderung zwar in die Gesellschaft integriert werden, aber doch meist unter sich bleiben. „Ich bin selbst Vater einer behinderten Tochter“, ruft ein Mann aus dem Publikum. Er argumentiert gegen das Konzept der Inklusion. Diese führe zwar dazu, dass beeinträchtigte und nicht beeinträchtigte Kinder gemeinsam zu Schule gehen, „aber am Ende sind es doch immer dieselben, die nicht zu den Geburtstagen eingeladen werden“.

 

Am Ende beruhigt ein weises Wort die Gemüter: Die Welt ist nicht schwarz-weiß, sie ist bunt. „Lassen Sie uns doch nicht über Begrifflichkeiten streiten“, sagt Steffen Thomas, der Leiter des Unternehmens „Berlin Delfin“, das er ganz bewusst als einen Fahrdienst für Mitmenschen nennt, weil er keinen Unterschied machen will zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung. Steffen Thomas erzählt, dass er selbst in Folge einer Frühgeburt von einer Beeinträchtigung gezeichnet ist und „dass ich dafür sorgen will, dass das Thema in der Öffentlichkeit präsent bleibt“. In seinem Fahrdienst beschäftigt er 40 Mitarbeiter, zum Teil mit Beeinträchtigungen. Tag für Tag befördert er 400 Menschen. „Die Familien mit beeinträchtigten Kindern sind sehr dankbar, dass unser Fahrdienst auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist“, sagt Steffen Thomas. „Die Kinder leben im ganzen Stadtgebiet, und wir müssen sie oft quer durch die Stadt fahren zu den Einrichtungen, in denen sie betreut werden.“ Da wäre es schon schön, wenn die Förderung gleich um die Ecke stattfinden könnte.

 

Dr. Claudia Nickel engagiert sich an eben dieser Basis, die Steffen Thomas anspricht. Sie arbeitet als Geschäftsführerin des Landesverbandes der Kita- und Schulfördervereine Berlin-Brandenburg und steht dabei in ständigem Kontakt „mit Erwachsenen, um Kinder zu unterstützen“. Sie berichtet vom Alltag an Einrichtungen, die nicht barrierefrei sind, in denen es keine Fahrstühle gibt: „Da müssen einfach politische Voraussetzungen geschaffen werden. Der Wille ist oft da, aber vieles klappt nicht. Dafür setzen unsere Fördervereine an. Um Kindern und Jugendlichen Förderungen zu ermöglichen.“ Es zähle die Einstellung eines jeden einzelnen: Bin ich wirklich bereit, Inklusion zu leben? „Schauen Sie sich die Kinder an, die machen unter sich überhaupt keine Unterschiede“, sagt Claudia Nickel. Zur besseren Veranschaulichung hat sie ein Pixie-Buch mit ins Goerzwerk gebracht, es illustriert den ungezwungenen Umgang der Kinder mit Beeinträchtigungen und findet rege Beachtung im Publikum.

 

Eine interessante Geschichte trägt Aron Murru vor. Die Geschichte handelt von einem Mitarbeiter in dem von ihm mitgegründeten KarmaKollektiv, einer Tee-, Kaffee- und Gewürzmanufaktur, die Menschen mit Behinderung oder Beeinträchtigung den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt ermöglichen will. Zum Beispiel Dennis, „er hat eine Lernschwäche und war für uns wie ein Spiegel“, erzählt Aron Murru. „Wenn zu viel Stress war, konnte er damit überhaupt nicht umgehen. Darauf mussten wir reagieren.“ Mit dem Ergebnis, dass die Arbeit im KarmaKollektiv sehr viel angenehmer geworden sei. Alles ein Verdienst von Dennis, dem Mitarbeiter mit der ausgeprägten Lernschwäche. „Anderssein ist bei uns normal“, sagt Aron Murru. „Ich empfinde es als eine absolute Bereicherung, diesen Perspektivwechsel zu haben. Unser Mitbegründer Sven hat auch seit seiner Geburt eine schwere Beeinträchtigung. Und doch ist er schon immer unser Kumpel. Diese Einstellung sollte auch im Arbeitsleben dazu gehören.“ Spontaner Beifall brandet durch das Goerzwerk.

 

Die von Unternehmen wie dem KarmaKollektiv umgesetzte Vermittlung von Menschen mit Beeinträchtigung für den ersten Arbeitsmarkt ist auch das Ziel von Dirk Gerstle, ja sogar sein gesetzlicher Auftrag. „Es ist an uns, diesen Menschen die Teilhabe am Erwerbs- und Bildungsleben zu ermöglichen“, sagt der Geschäftsführer der „Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderungen“ (BWB). Die Werkstätten sind über ganz Berlin verteilt, auch im Goerzwerk gibt es eine Dependance. „Wir haben 1600 Beschäftigte, und in diesem Jahr sind uns zwölf Überleitungen in den ersten Arbeitsmarkt gelungen“, sagt Dirk Gerstle. „Das mag wenig klingen, aber für uns sind es zwölf Erfolgsgeschichten.“

 

Dass es nicht noch mehr Erfolgsgeschichten gibt, liegt an der aktuellen Gesetzeslage, die Dirk Gerstle dem verblüfften Publikum vorträgt: „Es ist zurzeit nicht möglich, bei uns eine Ausbildung zu machen. Wir dürfen unsere Leute nur beschäftigen. Die 300 000 Menschen, die bundesweit in den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen arbeiten, sind leider keine Fachkräftereserve. Dagegen kämpfen wir.“ Frank Schaals Reaktion kommt so spontan wie leidenschaftlich: „Das ist ein skandalöser Zustand und einer Nation wie Deutschland nicht zuträglich!“ Aus dem Publikum meldet sich eine Frau, die Mutter eines behinderten Sohns, er leidet an schwerer Epilepsie, macht gerade online seinen Hauptschulabschluss und hofft auf eine Ausbildung. Die Frau sagt: „Ich hatte an diesem Abend auf Lösungen gehofft. Können Sie uns denn gar keine Hoffnung machen, dass sich da etwas ändert?“

 

Doch, es gibt Hoffnung, vorgetragen von Gerstles Kollegen Guido Handschug, er leitet das Integrationsmanagement der BWB: „Es besteht die Möglichkeit einer budgetfinanzierten Ausbildung“, sagt Handschug. „Dabei vermitteln wir Menschen aus unseren Werkstätten an interessierte Ausbilder. Das ist ein ganz neues Instrument.“ Er unterhält sich noch ein Weilchen mit der Mutter und bietet ihr seine Visitenkarte an, „bitte melden Sie sich!“

Ein Video von Dirk Neumann