Nachhaltigkeit und Wald

 

Nachhaltigkeit ist als Transformator für unsere Zeit unabdingbar. Die Wissenschaft gibt hier durch gezielte Forschung die Hilfestellungen für Entscheidungen, die unsere gemeinsame Zukunft positiv beeinflussen können.

Waldwirtschaft in Zeichen des Klimawandels

von Dieter Popp (Haundorf)

 

Nach den Vorlagen des letzten „Waldzustandsberichts 2020“ der Bundesregierung wurde in der Öffentlichkeit sehr laut Klage geführt und das Wort vom „Waldsterben“ war plötzlich wieder – wie regelmäßig bei Vorlage dieses Berichts - in aller Munde. Solche Aussagen verlieren dabei aber an erwünschter Wirkung je öfters sie einfach nur wiederholt werden und der beklagte Zustand den meisten Menschen dennoch weitgehend verborgen bleibt. Denn wo nimmt die Gesellschaft denn schon die Flächenverluste in dieser Dimension oder die beklagten Verlichtungen der Baumkronen in den Wäldern überhaupt wahr?

Und noch fataler wirken sich die jetzt immer wiederkehrenden Meldungen über die Trockenheits-schäden und dadurch absterbende Wälder aus, die regelmäßig mit der Forderung nach massiven Aufforstungen und den dafür als notwendig erachteten finanziellen Unterstützungen durch den Staat garniert werden.

Aber es gehört auch zu einer unbestrittenen, wenngleich weitgehend weniger bekannten Tatsache, dass bei uns Wälder nicht einfach absterben. Die Bäume auf den jeweiligen Flächen mögen aktuell absterben, aber dort entstehen spontan immer wieder neue Wälder. Denn auf ihnen wird ohne jedes weitere Zutun von uns Menschen binnen kürzester Zeit wieder eine natürliche Waldentwicklung einsetzen. Aber dann bereits ein Wald, der mit den von uns verursachten Klimaveränderungen und damit auch Trockenperioden schon sehr viel besser zu Recht kommen wird.

Daher stellt sich die Frage, ob die bisher bewilligten 1,5 Milliarden EUR an staatlichen Hilfsgeldern überhaupt in dieser Dimension und vor allem für Neuaufforstungen notwendig waren und sind?

Die erkennbaren Konsequenzen aus dieser dramatischen Situation in unseren Wäldern lassen allerdings nicht die Hoffnung aufkeimen, dass hier politisch die richtigen Weichen für die Zukunft gestellt werden. Immerhin schätzt der Deutsche Forstwirtschaftsrat die durch das Klima jetzt ausgelösten Schäden auf den rund 285.000 ha auf etwa 13 Milliarden EUR. Also in etwa die doppelte Kosten-Dimension, welche die jüngsten – und überwältigende Anteilnahme auslösenden - Überflutungen im Rheinland und der Eifel (Juli 2021) an Schäden verursacht haben! Während die Einbußen im Wald vorrangig dem Klimawandel und waldbaulichen Fehlentscheidungen der Vergangenheit zuzuschreiben waren, dürften die Überflutungsschäden vorrangig ebenfalls eine Folge von menschlichen Aktivitäten im Hinblick auf Bodenversiegelung, Bodenverdichtung und falscher Siedlungspolitik sein.

Man erinnert sich in beiden Fällen auch daran, dass auf solche Schäden als absehbares Gefahren-potenzial seit Jahren hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht wurde, dass eine rechtzeitige Vorsorge der Gesellschaft deutlich weniger Kosten aufbürden würde (siehe u.a. BT-Drucksache 17/12501 mit dem „Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz“ 2012). Trocknisschäden aus den Jahren 2019 bis 2022 haben die Gesellschaft erstmals in einem erheblichen Umfange für die Folgen des Klimawandels im Wald sensibilisiert.

 

Falsche Bäume am rechten Fleck

Tatsache ist aber, dass wir auf 80 % der Waldfläche heute keine standortheimischen Wald-gesellschaften antreffen und dass eine Auswertung der Bundeswaldinventur bereits 2015 ergab, dass 88 % der Wälder Deutschlands in einem schlechten Zustand sind. Eigentlich wären wir von Natur aus ein Laubmischwald-Gebiet. Buchen und an bestimmten Standorten etwas Eiche sind die naturgemäß vorherrschende Baumarten. Dazu gesellen sich beim Vorhandensein bestimmter Bodenvoraus-setzungen noch einige wenige weitere Laubbaumarten. Lediglich die Weißtanne zählt natürlicherweise zu den wichtigen Nadel-Mischbaumarten der meisten süddeutschen Mittelgebirge, die Kiefer dominierte einige Bereiche der nordöstlichen und bereits kontinental geprägten Tiefebenen und nur in ganz wenigen kühleren Hochlagen war die Fichte als natürliche Baumart anzutreffen. Buchen haben sich auf unseren Böden und unter diesem Klima seit etwas mehr als 6.000 Jahren bis hin zu den Küsten an der Ostsee als dominant durchgesetzt. Allerdings in altersklassenartig und von Baumarten vielfältig durchmischten und damit sehr stabilen sowie strukturreichen Waldbeständen. Tatsächlich sind wir aber heute allein durch menschliches Zutun ein strukturarmes Nadelbaum-Land geworden. 65 % der Waldflächen werden von diesen zeitweise sogar als „Brotbäume“ verklärten Baumarten Fichte und Kiefer dominiert, die durch die Menschen aktiv gefördert nun überwiegend in gleichaltrigen Reinbeständen vorkommen. Von den vielen eingeführten Exoten hat vor allem die aus Nordamerika stammende Douglasie dazu beigetragen, die heimischen Weißtannen und Buchen zurückzudrängen. Der immer wieder zu hörende Hinweis, die Douglasie sei in Europa ebenfalls eine heimische Baumart, stellt aber allenfalls eine historische Beschreibung dar. Eine im Miozän lokal für die Lausitz fossil nachgewiesene Douglasien-Art gilt jedoch mit ihrem gesamten Genpool als ausgestorben. Sie stellt daher in keiner Weise mehr eine autochthone Alternative dar.

Die Natur hat in den letzten Jahren auf all diese Manipulationen an dem natürlichen Waldgefüge aus diffizil selektierten Baumarten sowie stabil aufgebauten Bestandsstrukturen eine eindeutige Antwort geliefert. Sie hat uns diese an die Standorte nicht angepassten und unnatürlich aufgebauten Baumarten sprichwörtlich vor die Füße geschmissen. Aber das war vorhersehbar, auch wenn es viele lange nicht glauben wollten.

 

Bei der – nicht nur in Fachkreisen – heiß diskutierten Frage der richtigen Baumartenwahl, überschlagen sich derzeit die Vorschläge, welche der uns zur Verfügung stehenden Baumarten die richtige Wahl angesichts der nicht mehr aufzuhaltenden erheblichen Klimaveränderung darstellen könnten. Da wird dann viel zu leichtfertig wieder auf Exoten aus Nordamerika und Nordafrika (u.a. auch Sitkafichte, Silbertanne, Libanon-Zeder, Japanische Lärche, Amerikanische Linde, Roteiche), statt auf hier in Europa bereits in Trockenregionen bewährte standortheimische Baumarten zu setzen. Insbesondere werden immer noch die aus Nordamerika stammenden Douglasien und tlw. auch Küstentannen – trotz aller mit ihnen entstandenen Problemen - als Wunderbäume angesehen. Vor allem der Douglasie wurde dabei schon seit weit über 100 Jahren vertraut und lokal nimmt diese Baumart bereits Flächenanteile von über 20 % ein. An zahlreichen Standorten hat sie die Anbaufläche der heimischen Weißtannen bereits überrundet, die z.B. in Bayern einmal einen Anteil von 8 % der Fläche einnahm. Problematisch ist dabei aber, dass die Douglasie in all diesen Jahrzehnten kaum eine Symbiose mit dem für die Nährstoff- und Wasserversorgung unserer Bäume notwendigen Mykhorizza-Pilzsystem heimischer Waldböden eingegangen ist. Und die gerade in diesen Zeiten enorm wichtige Sickerwasserspende (Niederschlag, der auch bis in das Grundwasser vordringt und es auffüllt) zeigt unter Douglasien die mit Abstand schlechtesten Werte. Während es bei Buchen noch rund 15 %, bei Kiefern und Fichten schon nur noch 1,5 % sind, liegen diese Werte bei der Douglasie nochmals deutlich unter diesen Minimalwerten. Es wird erwartet, dass ohne einen Waldumbau die Grundwasserstände in kieferndominierten Waldgebieten in einem Zeitraum von etwa 30 Jahren unter den aktuellen Klimabedingungen um etwa 1,5 m absinken werden. Bei Douglasien muss sogar mit einer noch höheren Absenkung der Grundwasserstände gerechnet werden. Und logischerweise sind im extremen Trockensommer 2022 auch erste Douglasienbestände flächig abgestorben.

Dabei verfügen wir mit der Weißtanne über eine heimische Nadelbaumart, die an Standorten mit Weinbauklima einerseits und niederschlagsreichen und kühleren Höhenlagen andererseits vorkommt und dabei jeweils auch gute Biomassezuwächse aufweist. Uns steht also eine an unsere klimatischen Rahmenbedingungen optimal angepasste Nadelbaumart zur Verfügung und wir müssen uns nicht der ökologischen und ökonomischen Ungewissheit mit den Übersee-Exoten ausliefern.

 

Unsere heimischen Waldbäume passen sich ohnehin wesentlich besser an die aktuellen klimatischen Veränderungen an, als wir das wahrhaben wollen. Sie verfügen über eine sehr breite Anpassungsamplitude („standing genetic variation“) und sind daher in der Lage eine Bandbreite evolutionärer Antworten auf viele der noch vor uns stehenden Umwelthausforderungen geben zu können. So sind z.B. die momentan zu beobachtenden trocknisbedingten Laub- und Nadelverluste unserer Rotbuchen und Weißtannen auf deren unterschiedliche genetische Ausstattung und damit Trockenheitstoleranz zurückzuführen. Es fallen also nicht – wie vielfach beklagt – sogar die standortheimeichen Buchen und Tannen aus, sondern sie differenzieren sich gerade und dies vor allem über eine genetische Selektion bei ihrem Saatgut! Die Waldbesitzer müssen das Vertrauen, die Geduld und den Mut in diese Selbstregulationskräfte der Natur setzen und sollten auf keinen Fall aufgeben! Die im Herbst 2020 und in Teilen des Landes auch erneut 2021 sowie 2022 sogar Laien sichtbar gewordenen Bucheckern-Mengen – eine sog. Not-Fruktifikation – birgt nun die große Chance, dass diese in ihren genetischen Anlagen bereits deutlich besser an die veränderten klimatischen Rahmenbedingungen an ihren Standorten angepasst sind. Denn gerade das Mikroklima von Wäldern – also das Waldbinnenklima geschlossener Waldbestände - kann makroklimatische Extreme abpuffern, wobei deren Wirksamkeit vor allem von der Geschlossenheit dieser Bestände abhängt. Genau über diese strukturelle Geschlossenheit verfügen heute aber viele Wälder nicht mehr. Denn es wurden in der Vergangenheit waldbauliche Nutzungsformen gewählt (Kahlschläge, Großschirmschläge), welche diese natürliche Pufferkapazität kontinuierlich abgebaut haben! Bestimmte Waldlebensräume sind nämlich resistenter und damit resilienter gegenüber Störungen jeder Art und sehen sich daher in der Lage, sich nach eingetretenen Störungen auch wieder schneller erholen bzw. stabilisieren zu können. Daher kommt es bei der Resilienz unserer Wälder für die Zukunft noch sehr viel stärker auf deren Baumartenzusammen-setzung und vor allem die innere Bestandsstruktur an.

Unseren heimischen Eichen wird ja immer wieder nachgesagt, dass sie durch ihre relative Trockenresistenz u.a. auch Bäume der Zukunft sind. Und deswegen wären diese jetzt aufgelichteten Wälder doch sehr optimal für unsere heimischen Eichen. Wer solche Behauptungen aufstellt, verkennt, dass Eichen in ihrer Jugend durchaus bodenfrische Waldstrukturen bevorzugen und in ihren ersten Jahrzehnten sehr viel mehr Schattendruck vertragen, als gemeinhin angenommen und kommuniziert wird. Wer je naturnahe Eichenwälder in unseren ursprünglichen Verbreitungsgebieten gesehen hat, vermag deren ökologisches Potenzial zur Ausnutzung des Naturraums einzuschätzen und engt sie nicht auf die Rahmenbedingungen einer zunehmend mechanisierten Forstwirtschaft ein. Denn ein Großteil der den Deutschen heute bekannten mächtigen – und daher mit einem gewissen Mythos versehenen - Eichen stehen auf klassischen Buchenstandorten (wie z.B. im Spessart). Dort hat man sie zunächst wegen der im Zusammenhang mit der Feudaljagd beliebten Eichelmast, aber auch wegen des bäuerlichen Schweineeintriebs in die Wälder und später als bevorzugtes Furnierholz gezielt – und gegen die jeweilige Natur des Standorts – aktiv gefördert. Es stellte also eine fatale Fehleinschätzung der einheimischen Bevölkerung und des Spessart-Bunds dar, als sich diese vor wenigen Jahren „zur Rettung ihrer beliebten Spessart-Eichen“ vehement gegen die Ausweisung eines Nationalparks einsetzten, weil sie damit eine wieder natürlich eintretende Dominanz der Buchen befürchtet hatten.

 

Dagegen wäre es natürlich sinnvoll, nach evtl. weiteren trockenresistenten Baumarten zu suchen, um auf die noch zu erwartenden Entwicklungen der Klimaveränderungen vorbereitet zu sein. Und was läge da näher, als vorrangig nach Südost-Europa zu schauen. Denn nahezu der größte Teil unserer Baumarten sind nach der Eiszeit um die östlichen Alpenausläufer aus der appeninischen Halbinsel oder dem Westbalkan zugewandert. Ein weiterer, aber nicht so bedeutsamer Zuwanderungsstrom erfolgte über die Burgunder Pforte und den Oberrheingraben. Und auf natürliche Weise werden von dort standortheimische Baumarten auch weiter nach Mitteleuropa zuwandern, wenn diese Klimabedingungen nun dauerhaft anhalten. Denn bis in die griechischen Rhodopen kommen eben auch die Weißtanne und die Buche mit bereits an das dortige Klima angepassten Herkünften vor. Hinzukommen dort aber auch weitere für uns potenziell interessante Baumarten, die als denkbare natürliche Zuwanderer gelten. Das sind u.a. die Zerr- und die Flaumeiche, die Manna-Esche, Hopfenbuche, der Burg-Ahorn oder die auch bei uns schon heimische und für den Klimawandel besonders geeignete Elsbeere. Und dies teilweise als besondere Spezies, die – wie z.B. die illyrische Buche – deutlich mehr Trockenheit verkraften als aktuell unsere heimischen Rotbuchen. Es stehen uns also – neben der Lokalanpassung unserer heimischen Baumarten - eine beachtliche Anzahl trockenresistenter Baumarten aus dem südosteuropäischen Genpool, der Heimat all unserer Waldbäume zur Verfügung. Warum dann mit allen Risiken in exotische Fernen schweifen….?

 

Waldverjüngung – ein seit über 10.000 Jahren bewährtes System

 Unsere Wälder müssen nach den großflächigen Ausfällen vor allem der letzten drei Jahre, zügig in ungleichaltrige und standortangepasst auch nach Baumarten gemischten Beständen neu aufgebaut werden. Dies ist am kostengünstigsten über die natürliche Verjüngung vorhandener heimischer Baumarten zu erreichen. Immerhin eine Methode, der wir die gesamte Vielfalt unserer heutigen Wälder seit der letzten Eiszeit zu verdanken haben. Diese natürlichen Verjüngungen funktionieren nach wie vor, wenn man dabei der Natur auch die notwendige Zeit für diese Entwicklung einräumt. Nur dort wo keine der als zukunftsfähig angesehenen standortheimischen Baumarten für eine Verjüngung durch Samenanflug mehr im weitesten Umfeld vorhanden sind, können natürlich auch Ergänzungspflanzungen oder -Saaten erfolgen. Und zur natürlichen Wiederbewaldung größerer Kahlflächen ist vor allem das bewusste Zulassen eines Vorwaldes aus heimischen Pionierbaumarten grundsätzlich vor einer ggf. notwendigen Pflanzung ernsthaft zu prüfen. Unter deren Schatten und Mikroklima spendendem Schutzschirm wandern in der Regel die standörtlich gewünschten Baumarten auch zeitlich versetzt natürlich wieder ein. Aber selbst für Ergänzungspflanzungen bietet sich der Schutz eines solchen Vorwalds (vielfach auch Pionierwald genannt) als eine optimale Rahmenbedingung an, zumal es an jedem Standort sich spontan einstellende Baumarten dieser Pioniervegetation gibt (Ebereschen, Aspen, Birken, Holunder und andere).

 

Aber anstatt auf diese kostenlos zur Verfügung stehende Selbstregulation der Natur zu vertrauen, setzen dennoch große Teile der Waldbesitzenden auf die klassischen, kostenintensiven und risikobehafteten Aufforstungen. Und nahezu jede der offiziell in Umlauf gebrachten Meldungen über die aktuell zu beklagenden Waldschäden endet mit der Forderung nach umfassenden Aufforstungen und der Erwartung, dass hier der Staat einspringen möge, um den schlimmsten Befürchtungen Einhalt zu gebieten. Rund 1,5 Mrd. EURO haben der Bund und die Länder daher bereits zur Wiederaufforstung und anderer Schutzmaßnahmen bereitgestellt. So wichtig Zusagen zur Unterstützung der Waldbesitzenden auch sind, sie werden so gut wie nie mit Auflagen an bestimmte Formen einer zukunftsorientierten naturnahen Wald-Entwicklung verbunden. Daher muss auch kritisch hinterfragt werden, ob vergleichbare Leistungen nicht auch ohne massive finanzielle Unterstützung aus Steuermitteln erreichbar sein werden.

Es wird mit Sicherheit nicht gelingen, mit Aufforstungsprämien und aus Baumschulen stammenden, höchst empfindlichen Jungpflanzen diese unzähligen Wiederbewaldungsflächen in einen ökologisch stabilen und damit auch ertragsfähigen Wald zu überführen. Dabei wird uns das Klima auch in den kommenden Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit nicht unterstützen, denn hier ist eine Trendumkehr auf absehbare Zeit nicht mehr zu erwarten! Wir benötigen aber gerade auch auf diesen Flächen schon in kürzester Zeit wieder ein funktionierendes Waldbinnenklima. Es ist daher wünschenswert, wenn über einen solchen Programmansatz eine möglichst rasche Bodenbedeckung über eine sich natürlich entwickelnde Sukzession zu einem Schatten spendenden und Bodenfeuchtigkeit haltenden Pionierwald sowie dessen segensreiches Mikroklima auch über staatliche Prämien honoriert wird. Aufforstungsboni ausschließlich für das Bepflanzen auf solchen freigeräumten Schadflächen dürfen auch aus Gründen der ökonomischen Effizienz in der Tat nur noch dann gewährt werden, wenn die Waldbesitzenden nachweisen können, dass sie einen solchen natürlichen Waldentwicklungsprozess bereits erfolgreich eingeleitet haben oder nachweisbar einleiten. Denn nur unter einem adäquaten Schutzschirm werden es die gepflanzten Bäumchen überhaupt schaffen, die wohl weiter anhaltenden Trockensommer zu überstehen. Überall dort, wo es keine Zusammenbrüche der Waldstrukturen gegeben hat, muss daher künftig die Waldneubegründung ausschließlich über eine natürliche Verjüngung unter dem Schirm des bisherigen Waldvorbestands eingeleitet werden.

Auf diese Weise kann eine natürliche Verjüngung wieder widerstandsfähige Waldbestände mit tiefgründigen Wurzeln und einer am Standort bereits bewährten genetischen Veranlagung erzielen. Und nur darüber entstehen dauerhaft stabile Wälder mit einer kleinräumigen Struktur sowie dem immer wertvolleren feucht-kühlen Waldbinnenklima. Gerade solche vielfältig widerstandsfähigen Wälder haben mit diesem Mikroklima dann auch die Chance, über laufende Holzzuwächse den CO²-Anstieg in der Atmosphäre zu nutzen, um ihn langfristig in Biomasse und Boden (Humus) zu binden.

Erst solche neu entstehenden Wälder auf den ihnen zusagenden Standorten werden in Zukunft die Chance haben, aus diesem Teufelskreis zu entkommen. Denn die nur aus Pflanzung neu entstehenden Bestände – die aktuell zentrale politische Forderung – werden nur wieder altersklassenarme Waldflächen entstehen lassen. Damit können also erneut keine vielfältig aufgebauten und damit resilienten Waldstrukturen mit einem wirkungsvollen Mikroklima aufgebaut werden! Daher ist die Gesellschaft gefordert, im Wald – zumal im öffentlichen, den Bürgerinnen und Bürgern gehörenden Wald – eine an der Natur ausgerichtete Waldbewirtschaftung und Waldneuanlage konsequent einzufordern. Denn ausschließlich strukturiert aufgebaute und naturgemäß bewirtschaftete Wälder liefern uns all die vielfältigen Leistungen, die sehr weit über die Produktion des nachwachsenden Rohstoffs Holz hinausreichen. Und in diesem Zusammenhang spielt das bis heute weitgehend nicht beachtete Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1990 eine entscheidende Rolle. Denn dort wurde entschieden, dass zumindest öffentliche Wälder nicht mehr primär mit erwerbswirtschaftlichem Ziel betrachtet werden dürfen! Trotz dieses eindeutigen Grundsatzurteils ist auch nach über dreißig Jahren keine einschneidende Wende im Wald eingetreten. Immerhin hatte der Bayerische Ministerpräsident Söder im Sommer 2019 eine gleichlautende Forderung für die Betriebe der Bayerischen Staatsforsten angekündigt. Gleichwohl hat sich aber seitdem nichts gravierend in der bayerischen Waldpolitik verändert.

Noch immer aber werden bundesweit unter staatlicher Aufsicht wertvolle alte Buchenwälder im Kahlschlagverfahren genutzt, um diese Flächen danach mit kaum zukunftsfähigen Fichten oder gar den für das Ökosystem fremden Douglasien aufzuforsten. Und das, obwohl die Buche eine um den Faktor 10 höhere Aufnahmefähigkeit der Niederschlagsspende in das Grundwasser als etwa die Fichte aufweist. Genau auf solche Zusammenhänge hat das seit 30 Jahren ignorierte Verfassungsgerichtsurteil gesetzt.

Wie wichtig dessen konkrete Berücksichtigung sein kann, haben die Starkregenereignisse des Juli 2021 gezeigt. Wir haben nicht nur zu viele Flächen versiegelt, nein wir haben ebenso die Funktionsfähigkeit unserer Waldböden – und hier vor allem deren Wasseraufnahmekapazität – auch durch eine unverantwortliche Baumartenwahl und wegrationalisierte Waldstrukturen massiv beeinträchtigt.

 

Kühl und feucht – eine gefragte Qualität

Ein weithin weniger im Fokus der Öffentlichkeit stehendes Problem ist die zunehmende Auflichtung unserer Wälder. Immerhin haben unzählige Forstleute im Rahmen ihres Studiums noch gelernt, dass es für die meisten Baumarten zur Erzielung des Zustands der beginnenden Verjüngung der Baumbestände eines bestimmten zusätzlichen Lichteinfalls bedarf. In Zeiten zunehmender Trockenheit kann dies aber nun auch zu gegenteiligen Veränderungen des Waldbinnenklimas führen, das in solchen Zeiten aber von besonderer Bedeutung ist. Und Erfahrungen aus Waldregionen, in denen die Verjüngung der Wälder ausschließlich über den natürlichen Samenanflug erfolgt, legen eine sehr viel größere Toleranz auch der sog. Lichtbaumarten gegenüber einer dichten Beschattung nahe. Solche Erkenntnisse werden aber immer noch zu wenig in die Breite kommuniziert.

Mittlerweile hat die durchschnittliche Kronenverlichtung einen Anteil von immerhin 37 % der davon betroffenen Bäume erreicht. Dies bedeutet, dass diese mindestens ein Viertel ihrer Blätter oder Nadeln vorzeitig verloren haben. Zusätzlich fallen jetzt auch einzelne Bäume durch Trockenheit aus, so dass dies zu einer weiteren enormen Auflichtung der Wälder führt. Abgesehen davon, dass dies für Baumarten, die bezüglich ihrer Vitalität und Aufwuchsbedingungen ihrer jungen Sämlinge sehr viel Schatten benötigen – wie z.B. die Buchen und die heimischen Tannen – leitet dies aber auch massive Veränderungen des Binnenklimas im Wald ein!

 

Unsere heutigen Wälder leiden – nahezu überall und bei allen Baumarten – – ob mit oder ohne Kronenverlichtungen bereits unter einer fehlenden Altersstrukturierung und damit verändern sie zunehmend das gerade heute so dringend benötigte feucht-kühle Waldbinnenklima! Alle Waldbesuchenden kennen den Effekt, wenn man an einem heißen Sommertag aus einem Wald in das Offenland tritt. Vorrats- und totholzreiche Laubwälder weisen im Sommer bis zu 12° Celsius niedrigere Temperaturen als z.B. vorratsarme Kiefern- oder Fichtenwälder auf. Aber dieses extrem wichtige Waldmikroklima, an das sich genetisch auch die meisten Pflanzen und Tiere des Waldes angepasst haben, ist unmittelbar auch von der inneren Bestandsstruktur abhängig. Und genau diese Strukturierung wurde schon in der Vergangenheit durch an den Standort nicht angepasste Waldbauformen und vor allem die jetzt wieder anlaufenden Wiederaufbauprogramme der öffentlichen Hand weder unterstützt noch gebührend honoriert.

 

Die Entwicklung eines etagenartigen dreidimensionalen Waldaufbaus ist aus diesen Gründen von grundlegender Bedeutung für das Funktionieren des Ökosystems Wald. So wird das Kronendach auf diese Weiseim Laufe der Zeit immer strukturierter und rauer, was die Rückstrahlung von Sonnenenergie reduziert und die weitere Energieaufnahme erhöht. Die Bäume bauen über die Sonnenenergie Biomasse auf und durch Lignin wird dann die hocheffiziente Stabilität dieser Photosynthese-Türme verstärkt. Die so gewachsenen Bäume erhalten gerade dadurch die Möglichkeit sehr alt zu werden. Dies bedeutet, dass immer mehr Biomasse und damit chemisch gebundene Energie – auf der Grundlage von Kohlenstoffverbindungen – für immer längere Zeiträume auf den Flächen verbleiben kann. Und dieses System wird noch dadurch befördert, dass sich das Material auch nach dem Absterben nur sehr langsam wieder zersetzt.

Die im Boden durch ihr Wurzelsystem fest verankerten Holztürme durchdringen diesen viel intensiver als die Vielzahl aller anderen im Wald vorkommenden Pflanzenarten. Daher erschließen die Wurzeln – differenziert nach Baumarten - deutlich tiefere Bodenhorizonte, verändern diese und ermöglichen eine effizientere Wasseraufnahme, die zu einem regelrechten hydraulischen Auftrieb führt. Auf diese Weise stellt die Biomasse der Wälder einen bedeutsamen Wasserspeicher dar, wobei der hochwirksame Anteil der humusreichen Oberböden mit dem darauf aufliegenden Totholz bislang in seiner vor allem verstärkenden Wirkung völlig unterschätzt wurde.

 

Durch die Kombination einer Vielzahl von Maßnahmen - Aufnahme und Speicherung von Kohlenstoff, Erhöhung und Stabilisierung der Nettoprimärproduktion, Abbremsen bodennaher Luftmassen und damit Reduktion von Windgeschwindigkeit, eigenes Mikroklima, Schattenbildung und Verdunstung, dauerhafte Kohlenstoffbindung u.a. – sind Wälder Garanten für eine wirkungsvolle Abpufferung von Luftfeuchtigkeits- und Temperaturschwankungen.

 

Strukturvielfalt garantiert Biomasse und Stabilität

Es wird allzu häufig bei der Wiederaufforstung oder dem klimabedingten Waldumbau nur auf die Erzielung von Mischwäldern gesetzt. Die öffentliche Wahrnehmung geht dabei von nach Baumarten gemischten Wäldern aus. Aber es ist eben leider nicht allein diese Mischung aus unterschiedlichen Baumarten, die uns die Vorteile eines „Mischwaldes“ nahelegen. Denn sonst dürfte es selbst in der Natur ja auch keine Natur- oder Urwälder aus einer dominierenden Baumart geben. Die ökologische Besonderheit der Mischwälder – und auch das könnten wir direkt von der Natur lernen - sind jedoch vorwiegend Mischungen der inneren Bestandsstruktur mit Bäumen sehr unterschiedlichen Alters. Und zwar zunächst völlig unabhängig von den beteiligten Baumarten. Damit kehrt im Waldesinneren die Windruhe ein, die wiederum zu einer Reduktion der Verdunstung und zu einem optimalen Mikroklima führt. Zusätzlich wirken diese vielfach nach oben gestaffelten Baumkronen sehr stark lichtmindernd und tragen auch damit zu einem deutlich kühleren und feuchteren Waldbinnenklima, einem besseren Wachstum und damit auch zu mehr CO²-Bindung bei. Vor allem aber wird der Boden vor Austrocknung geschützt und kann seine umfassenden Funktionen für das gesamte ökologische System optimal erfüllen. Natürlich gibt es dabei Differenzierungen bei einzelnen Baumarten, es gibt sogar Altersphasen mit geringerer Strukturierung, aber im kleinflächigen Mosaik gilt dieses Prinzip für nahezu alle natürlichen Waldgesellschaften unseres Kontinents.

Und zu dieser Strukturierung zählt natürlich auch das Totholz. Liegendes Totholz in ausreichender Holzdimension trägt auch selbst sehr effizient dazu bei, noch deutlich mehr Wasser und Bodenfeuchtigkeit im Waldbestand zu binden. Und in hängigen Waldbeständen leistet Totholz in hohem Maße auch einen Beitrag zur Stabilisierung der oberen Bodenhorizonte und sichert damit Bestandstrukturen zusätzlich. Totholz ist also mitnichten nur eine vielfach erhobene – wenngleich auch aus dieser Sicht berechtigte – Forderung des Naturschutzes.

 

Der in Wäldern ohnehin abgesicherte beachtliche Umfang an Kohlenstoffspeicherung hängt aber in dessen Dimension vor allem von hohen Biomassevorräte ab und diese wiederum sind Ergebnis einer vielfältigen Bestandsstruktur. Dies gilt umso mehr in Deutschland, wo die Wälder im Durchschnitt zu wenig Biomasse bilden und sogar die aktuelle ökonomische Tendenz besteht, die Bäume noch jünger zu nutzen, nur um der Gefahr – eigenverschuldeter - höherer Windwurfschäden zu entgehen, die sich mit steigender Baumhöhe und Baumalter im Altersklassenwald deutlich erhöhen. Die derzeitigen Holzvorräte weisen in Deutschland im Durchschnitt 350 Vorratsfestmeter je Hektar auf. Im Vergleich mit nutzungsfreien Wäldern werden dagegen – je nach Baumart und Standort – Dimensionen von 480 bis 920 Vorratsfestmeter erreicht. Die Wälder in Deutschland haben ihr natürliches Potenzial zur Biomasseanreicherung und damit auch zur Strukturvielfalt noch lange nicht erreicht. Das maximale mögliche Baumalter erreichen unsere Bäume im Wirtschaftswald ohnehin nie, dass z.B. bei der Winterlinde oder der Eiche bei 800, der Weißtanne bei 600, der Rotbuche und der Fichte bei 300 Jahren liegen würde. Im Durchschnitt erreichen unsere Wälder – wegen der ständigen Schadensereignisse – nur ein jugendliches Alter von 77 Jahren. Aber gerade alte Wälder sind nicht nur deutlich effektivere Kohlenstoffspeicher, wirken sich wegen des Humus- und Totholzvorrats auch günstig auf Bodenfeuchtigkeit und Grundwasserspeicherung aus und erreichen damit eine deutlich höhere Sensitivität gegenüber dem Klimawandel.

Wir brauchen also vor allem Wälder mit ihrer natürlichen Baumartenvielfalt, aber dazu auch mit ihrer natürlichen inneren Bestandsstruktur! Nur beides zusammen wird uns in der Zukunft helfen können!

Es gibt eine Reihe von Waldbesitzenden – leider unverständlicherweise noch viel zu wenige – die durch eine sensible Bewirtschaftung bis heute auf diese Funktionsfähigkeit setzen und die umfassend in sie vertrauen können. Dort wird man in der Regel auch keine unserer heimischen Buchen oder Tannen finden, die bereits unter diesem Blatt- oder Nadelmangel oder anderen Trockensymptomen leiden. Wo heute kränkelnde Rotbuchen, Eichen oder Weißtannen als Beleg für deren nicht mehr vorhandene Fähigkeit zur Anpassung an diese veränderten Umweltbedingungen angeführt werden, wird meist verdrängt, welchem waldbaulichen Kontext – z.B. fahrlässige Freistellungen - sie mutwillig geopfert wurden! Anspruchsvolle Waldbewirtschaftung fördert Biomasse auf jeder Wuchsetage (Mehrgenerationenwälder) und gleichzeitig möglichst wenig Lichteinfall. Wir haben schon noch die richtigen Baumarten. Nur leider haben wir meist nicht mehr die richtigen, ihnen angepassten und damit zukunftsfähigen Waldstrukturen!

 

Biomassereiche Wälder mit hoher Strukturvielfalt als gesellschaftspolitisches Ziel: 

Wald vor Wild heißt nicht Wald statt Wild

Es muss aber ergänzend auch ein verantwortungsbewusst durchgeführtes Wildtier-Management zu den zwingenden Grundvoraussetzungen zählen, damit die Milliardenspritze von Bund und den Ländern für die Waldbesitzenden nicht nutzlos im Boden verpufft:

Die Waldbesitzenden müssen von den Jagdausübungsberechtigten daher eine angepasste Populationsdichte des Schalenwilds (bei uns in der Regel Rot- und Rehwild, aber auch Gams- und Damwild) mit Nachdruck und auch mit Rechtsmitteln verlangen sowie durchsetzen können. Zu dieser weitreichenden Konsequenz sieht sich aber die Politik auf Bundesebene offenbar nicht in der Lage, wie die Vergangenheit und die Vorlagen zur jüngsten Jagdgesetznovellierung ernüchternd gezeigt haben. Zu stark ist die Lobby der organisierten Jägerschaft, deren Vertreter auch einen beachtlichen Anteil der Bundes- und Landtagsabgeordneten nahezu aller Bundesländer – über fast alle vergangenen Legislaturperioden hinweg - ausmachen. Wenn die Jägerschaft diese Voraussetzung – Aufwachsen aller Jungbäume und anderer ökologisch wichtiger Stauden, Kraut- und Blütenpflanzen ohne dauerhaften und kostenaufwendigen Schutz - nicht flächendeckend gewährleistet, muss die Gesellschaft klimastabile Zukunftswälder leider völlig abschreiben....!

Das es hierbei nicht etwa um die Ausrottung des Wildes geht, steht völlig außer Frage. Die Jägerschaft wünscht aber ganz offenkundig bequeme Jagdmöglichkeiten, die nur über hohe Populationszahlen zu erreichen sind. Dies kann und darf aber nicht im Interesse der Gesellschaft liegen. Zumal gerade bei reduzierten Schalenwildpopulationen ein Waldbau ohne jeglichen kostenaufwendigen Schutz – wie zahlreiche Beispiele belegen – möglich ist. Und dies führt als Nebeneffekt auch noch zu gesünderen, an Körpergewicht deutlich überlegeneren Einzeltieren und zu signifikant geringeren Wildunfällen mit hohen Sachschäden, aber auch vielen Verletzungen der beteiligten Verkehrsteilnehmenden, von dem Leid des Wildes gar nicht zu sprechen.

Es gibt genügend Beispiele, die aufzeigen, dass dieser Weg möglich ist, wo der Wille dazu besteht!

Und in diesem Zusammenhang spielt auch die natürliche Rückbesiedlung Deutschlands durch Wölfe – einem ihrer europäischen Ursprungsländer – eine wichtige ökologische Rolle. Denn mit dem Wiederauftreten der Wölfe wird z.B. ganz offenkundig das hier in keiner Weise heimische Muffelwild, das sehr hohe Schäden gerade in Laubwäldern anrichtet, wieder komplett zurückgedrängt. Eine Maßnahme, die bisher der Jägerschaft nicht geglückt ist.

Und Rot- und Rehwild verändern ihr Verhalten durch anwesende Wölfe insofern sehr nachhaltig, als sie deutlich mehr in Bewegung gesetzt werden und sich dadurch Verbiss- und Schälschäden in mehr oder weniger großem Umfang reduzieren. Die Wölfe rotten das Schalenwild durch ihre Bejagung aber nicht aus, sie sorgen aber für deutlich geringere Populationsdichten und dies hilft ganz offenkundig auch der Sicherung der natürlichen Verjüngung unserer Wälder mit heimischen Baumarten.

 

Dauerwald – eine 100 Jahre alte Idee als Königsweg

Da der Altersklassenwald nach all den leidvollen – wenngleich vorhergesagten – ökonomischen wie ökologischen Fehlentwicklungen auf gesamter Linie als zukunftsfähige Form der Waldbe-wirtschaftung versagt und ausgedient hat, muss umso mehr der Blickwinkel auf eine dauerhaft umweltverträgliche und gleichermaßen wirtschaftlich rentable Form der Waldentwicklung gelenkt werden.

Da ist es mehr als naheliegend, den Blick auf die wohl ertragreichsten europäischen Forstbetriebe zu richten – überwiegend private Betriebe, die oftmals auf jahrhundertealte Tradition mit wirtschaftlichem Erfolg zurückblicken und in dieser besonderen Generationen-Verantwortung ihren Waldbesitz auch in die Zukunft führen wollen – und die sich vorwiegend an den 1922 von Prof. Alfred Möller in Eberswalde definierten Prinzipien der Dauerwaldwirtschaft orientiert haben. Dieser hat darunter den nach Baumstärke, Alter und Baumarten intensiv gemischten Wald verstanden, der seinen Besitzern auf jeder Teilfläche dauerhaft – und nicht nur zeitlich eingeengt – wirtschaftliche Erträge beschert.

In einem nach diesen Prinzipien bewirtschafteten Wald wird immer darauf geachtet, dass niemals ein Freiflächenklima entsteht – Kahlschläge werden daher grundsätzlich vermieden – und der Boden dauerhaft durch eine von den vorherrschenden Baumarten ausgehende Beschattung sowie das damit verbundene Mikroklima geschützt wird. Der Dauerwald strebt damit neben dem ununter-brochenen Kronenschluss auch eine vertikale Lichtstruktur an, die ständig ein ausgeglichenes Binnenklima mit eindeutig reduzierten Temperaturextremen, einer beständig hohen Luftfeuchtigkeit, weitgehender Windruhe und damit eine maximale Transpiration und Assimilation der Biomasse gewährleistet. Auf diese Weise wird der Waldboden nur marginal durch Lichteinfall erwärmt, was zu einer zeitlich gestreckten Remineralisierung der am Boden aufliegenden Blattstreu führt, deren Nährstoffe dann über sehr lange Zeit pflanzenverfügbar bleiben. Daher entspricht der Dauerwald – und in den vielfältigen Formen der denkbaren Waldbewirtschaftungssysteme nur dieser – dem Ideal einer ökologischen Kreislaufwirtschaft und kommt natürlichen Urwaldstrukturen sehr nahe.

 

Durch die weitgehend nur beim Dauerwald gewährleistete Nutzung des gesamten Innenraums eines Waldbestands zur Assimilation ist er in der Lage diesen zu erheblichen Teilen mit Blattgrün zu füllen, junge Pflanzen zu beschützen und gleichzeitig allen anderen unter diesem Kronendach ausharrenden Bäumen jederzeit die Chance einzuräumen, mit hoher Wuchsdynamik bis ins Kronendach vorzu-dringen. Die innere Stabilität dieser Wälder durch ihre vielfältige Struktur wird noch dadurch signifi-kant erhöht, weil das systembedingt sehr langsame Jugendwachstum im dauerhaften Schatten dieser Bestände den einzelnen Bäumen einen zusätzlichen Konstruktionsplan ihrer speziellen Statik ermög-licht, der sie gegen Sturm und Schneebruch deutlich stabiler ausstattet. Es versteht sich von selbst, dass solche Wälder nicht mit den zu verzinsenden, massiv kostenintensiven Pflanzungen, dem Forst- und dem Wildschutz belastet werden.

Man darf sich nicht wundern, dass z.B. viele Banker den Kopf schütteln, warum diese Form der Waldwirtschaft bis heute nur auf einem Bruchteil der Waldflächen Anwendung findet.

Vor allem auch deswegen, weil Dauerwald parallel auch einen sehr großen Anteil der Forderungen des Naturschutzes an den Wald erfüllt und solche Wälder zudem kostenneutral Waldbilder von so hoher emotionaler Schönheit und Attraktivität bieten, dass sie per se als Erholungswälder gelten können sowie einen hohen touristischen Wert bieten.

Die Zukunft unseres Waldes liegt im Dauerwald – nur er wird Ökonomie und Ökologie verbinden!

 

Waldpolitische Forderungen für zukunftsfähige Wälder

 

1. Standortheimische Baumarten

Vorrang bei der Waldbegründung müssen standortheimische Baumarten haben. Das sind diejenigen Baumarten, die nach der letzten Eiszeit auf natürliche Weise bereits eingewandert sind oder das Potenzial besitzen, künftig noch natürlich zuzuwandern.

 

2. Walderneuerung über natürliche Verjüngung

Die Verjüngung der Waldbestände erfolgt über die vorhandenen und an die Örtlichkeit angepassten standortheimischen Baumarten und deren Samenpotenzial.

Dies erfolgt über eine Dauerwaldbewirtschaftung, durch die sich Jungwuchs in den natürlich oder durch Einzelstammnutzung entstehenden Lücken durchsetzen kann. In diesem Wald kann ständig auf der gesamten Fläche sowohl geerntet werden, wie auch neue Verjüngungen entstehen oder einzelne Bäume durch diese Stockwerke durchwachsen.

Eine Walderneuerung auf größeren, durch Windwurf oder Kalamitäten entstandenen Flächen erfolgt über eine Pionierwaldphase, in deren Schutz und Mikroklima standort-heimische Hauptbaumarten einwandern. In Ausnahmefällen – wenn samenspendende Hauptbaumarten fehlen – können diese auch als Ersatzpflanzungen oder über Saaten wieder künstlich eingebracht werden.

 

3. Vorrang für Dauerwald

Deutschland ist von Natur ein Laubwald-Land mit sehr hohen Buchenanteil. Die darin vorkommenden standortheimischen Mischbaumarten und die Waldstrukturen führen zu einer Biodiversität, die durch eine Dauerwald-Bewirtschaftung langfristig gesichert wird.

 

4. Strukturvielfalt als Garant für Sicherheit

Neben der Mischung von Baumarten zeichnen sich Dauerwälder auch durch eine hohe Vielfalt an Altersstrukturierung aus. Ein mindestens etagenartiger dreidimensionaler Waldaufbau sorgt für die innere Windruhe, optimales Waldbinnenklima und für hohe Bodenfeuchtigkeit. Gerade in Zeiten zunehmender Trockenheit stellt das Wald-Mikroklima eine ganz besondere Qualität nachhaltiger Dauerwald-Bewirtschaftung dar.

 

5. Biomasse und Humus - Garanten der Kohlenstoffbindung

Die Wälder in Deutschland müssen deutlich älter werden dürfen, die holzverarbeitende Industrie muss sich auf diesen Wandel mittelfristig auch technologisch einstellen.

Ein Teil der Wälder muss aber auch bis in die Zerfallsphase Bestand haben, um Ziele der nationalen Biodiversitätsstrategie konsequent erfüllen zu können.

Die Gemeinwohlinteressen müssen im öffentlichen Wald eine umfassende Berücksichtigung im Sinne des Grundsatzurteils des Bundesverfassungsgerichts von 1990 erfahren.

Die Inhalte dieses Urteil sind daher in das Grundgesetz zu übernehmen.

 

6. Wildmanagement sichert Dauerwaldstrukturen

Die Populationsdichte des Schalenwilds muss auf die vom Gesetz geforderte Kulturlandschaftsverträglichkeit reduziert werden. Es muss daher gewährleistet werden, dass alle Hauptbaumarten und die Begleitflora ohne jegliche Schutzmaßnahmen gewährleistet werden können.

 

Quellen:

Bode: Alfred Möllers Dauerwaldidee (2021)

Bundeswaldinventur 2015

Knapp, Klaus, Fähser: Der Holzweg (2021)

Meister: Die Zukunft des Waldes (2015)

Opgenoorth: Ökosystem Wald zwischen Klimafunktion und Holzlieferant (2022)

Scherzinger: Von idealisierten Erwartungen zum realen Wildwuchs (2020)

Teuffel: Waldumbau – für eine zukunftsorientierte Waldwirtschaft (2005)

Umweltbundesamt: Wald und nachhaltige Holznutzung (2016)

Waldallianz 2021

Waldschadensbericht der Bundesregierung 2020

Welle, Sturm, Bohr: Alternativer Waldzustandsbericht (2018)

 

Weitere Informationen:

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03. Oktober 2022