Zero Waste und Kreislaufwirtschaft bei der Berliner Stadtreinigung(BSR)
Fotos: © Pia Henkel / RIK Berlin Südwest, Autor: Thorsten Murr
29. REGIOTALK VOM 29.04.2025 IM Bildungs- und Informationszentrum (BIZ) der Berliner Stadtreinigung (BSR)
Zero Waste und Kreislaufwirtschaft - Wie können Unternehmen Abfallvermeidung und Ressourcenschonung wirtschaftlich sinnvoll verbinden?
- Thema: Konzepte, Tipps und Regularien zur Umsetzung von Zero-Waste und Kreislaufwirtschaft in Unternehmen
- Ort: Bildungs- und Informationszentrum (BIZ) der Berliner Stadtreinigung (BSR)
- Fokus: Sensibilisierung und Handlungsempfehlungen für ein kreislauffähiges Wirtschaften
- Ziel: Erste Schritte zur Umsetzung eines nachhaltigen und gleichzeitig wirtschaftlichen Geschäftsmodells sowie Informationsvermittlung der nationalen und EU-weiten Vorgaben zur Kreislaufwirtschaft und Energieeffizienz
- Praxisbeispiele: nachhaltiges Produktdesign aus der Arbeit mit Unternehmen der Koordinierungsstelle für Kreislaufwirtschaft, Energieeffizienz und Klimaschutz (KEK), Entwicklung von Natrium-Ionen-Batterien eines BMBF-Projekts der Humboldt-Universität in Zusammenarbeit mit dem Helmholtz-Zentrum Berlin und Glasmehrwegsystem für Speiseölflaschen im Bio-Einzelhandel der dotch GmbH, Projekte der Abfallvermeidung der BSR (z.B. Kieztage, NochMall)
Zero Waste – so geht es!
Beim 29. RegioTalk wurden Ideen und praktische Ansätze zur Umsetzung der Kreislaufwirtschaft in KMU diskutiert.
Über dreißig Unternehmerinnen und Unternehmer waren der Einladung gefolgt und erlebten im Bildungs- und Informationszentrum der BSR in Berlin-Tempelhof einen spannenden und überaus aufschlussreichen Abend. Zunächst konnten sie sich während einer kleinen Führung durch die historische Ausstellung und die Zentral-Werkstatt der Berliner Stadtreinigung, BSR, über die Geschichte, die heutigen Zuständigkeiten und die Strukturen des Unternehmens informieren. Selbstverständlich waren die historischen Reinigungsfahrzeuge besonders interessant, aber auch die Designs und Funktionsweisen innovativer Müllschlucker-Systeme für den öffentlichen Raum erregten viel Aufmerksamkeit.
Nachdem Nadine Gerks, Managerin Public Affairs der BSR, gleich noch ein paar fachkundige Tipps zur Verfeinerung der Mülltrennung im Haushalt gegeben hatte, geht es im Seminarraum, der einst Stall für Zugpferde war, weiter. Hier betont Nadine Gerks einen der wichtigsten Grundsätze ihres Unternehmens: „Die BSR ist Managerin der Zero-Waste-Stadt Berlin – das ist unsere Verantwortung!“ Als Beispiele nennt sie die berlinweiten Kieztage von BSR und Bezirken, bei denen neben der kostenlosen Sperrmüllentsorgung Anwohnende auch gebrauchte Dinge tauschen und verschenken könnten sowie die NochMall, das bekannte BSR-Gebrauchtwarenkaufhaus in Reinickendorf.
Zero Waste Hacks für Unternehmen, um sofort loszulegen
„Zero Waste und Kreislaufwirtschaft sind schon lange nicht mehr nur Trends einer Randgruppe, sondern ein gesamtgesellschaftliches Thema“, sagt Meike Al-Habash, Leiterin der Zero-Waste-Agentur. Von 19 Millionen Tonnen gewerblichen Siedlungsabfalls sei rund die Hälfte vermeidbar. Bürobeschäftigte produzierten während ihrer Arbeit durchschnittlich 120 Kilogramm Abfall im Jahr. Ein Weg hin zu „Zero Waste“ sei, unsere privaten Müllvermeidungsstrategien auch in unser Jobumfeld zu übertragen. Dafür habe die Zero-Waste-Agentur eine Reihe von „Zero-Waste-Hacks“ für Unternehmerinnen und Unternehmern parat: Von gemeinsam nutzbaren Büroutensilien statt Lochern und Tackern auf jedem Schreibtisch bis hin zum Aufbau einer kreislauffähigen Beschaffung waren viele Tipps und Tricks dabei, die in den Firmen sofort umgesetzt werden könnten.
Ein defekter Stuhl könne repariert werden, bevor man ihn durch einen neuen ersetzt. Paketverpackungen von empfangenen Waren könnten gesammelt und dann für den eigenen Produktversand verwendet werden. Die Möglichkeiten reichten von wiederverwendbaren Lunchboxes über die Beseitigung von digitalem Datenmüll bis hin zum „Product as a Service“, bei dem es nicht mehr darum ginge, Produktionsmittel zu besitzen, sondern ihre langfristige Nutzung, etwa über Reparatur-Abonnements, abzusichern. Zudem sei gelebte Kreislaufwirtschaft in Unternehmen ein Merkmal der Arbeitgeberattraktivität. Immer mehr gut ausgebildete Menschen würden ihren künftigen Arbeitsplatz auch nach diesen Kriterien bewerten.
Batterien der Zukunft: Natrium statt Lithium
„20 bis 25 Kilogramm Kohlendioxid emittiert ein Mensch in Deutschland am Tag. Man stelle sich das mal als festen Stoff vor, den man abends vor die Tür bringt!“, beginnt Professor Dr. Philipp Adelhelm von der Humboldt Universität zu Berlin seinen Exkurs in die Welt nachhaltiger Mobilität. Als Chemiker und Wissenschaftler ist er zugleich Projektleiter eines neuen BMBF-Großprojekts der Humboldt Universität und des Helmholtz-Zentrums Berlins, das sich der Natrium-Ionen-Batterietechnologie widmet. Angesichts weltweit begrenzter Rohstoffressourcen gehe es darum, das seltene Lithium durch das überall verfügbare Natrium ersetzen zu können. „Statt Lithium-Ionen- werden wir bald auch Natrium-Ionen-Batterien verwenden“, so sein Versprechen. Der Bedarf an leistungsfähigen Batterien habe sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt. Bis 2020 waren es Mobiltelefone, jetzt seien es die E-Autos, die den größten Anteil ausmachten. Künftig würden zudem große Energiespeicher und eine zunehmende Robotik die Nachfrage bestimmen. Generell sehe der Experte zwei relevante Zukunftsstrategien: Umfassendes Recycling und Erforschung neuer Technologien.
Der Green Deal der EU und Unterstützung für KMU in Berlin
„Die EU macht Ihnen das Leben als Unternehmer nicht nur schwer, sie unterstützt Sie auch“, so das Anfangsplädoyer von Wenke Hebold, Managerin Innovation Circular Design bei Berlin Partner, in Bezug auf regulatorische Neuerungen. In ihrem Beitrag erläutert sie anhand verschiedener Verordnungen den Green Deal und den Circular Economy Action Plan der Europäischen Union. Nachhaltiges und zirkuläres Produktdesign sei in der EU ein zentrales Thema, auch ein aktuell diskutierter digitaler Produktpass, der über einen QR-Code am Produkt Informationen über dessen Herstellungs- und Materialhistorie zugänglich machen soll. Ein gutes Beispiel sei ein Berliner Unternehmen, das Aluminium recycelt. „Recyceltes Aluminium ist sehr nachhaltig, der Energieverbrauch und die Umwelteinflüsse seiner Erstproduktion hingegen sind katastrophal“, erklärt sie.
Hinsichtlich der Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen präsentiert Wenke Hebold einen Überblick über die vielseitigen Beratungs- und Serviceangebote der Koordinierungsstelle für Kreislaufwirtschaft, Energieeffizienz und Klimaschutz, KEK, in deren Team sie arbeitet.
Einweg ist kein Weg!
„Mehrweg muss genauso attraktiv und einfach sein wie Einweg“, fordert Veronika Pfender, Mitbegründerin und Mitgeschäftsführerin der in Berlin-Pankow ansässigen dotch GmbH. Mehrwegsysteme ersparten im Vergleich zum Einwegprinzip bis zu 50 Prozent Kohlendioxid-Emission. Mehr als 91 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland würden Mehrwegverpackungen begrüßen und auch die EU habe mit der Packaging and Packaging Waste Regulation 2025, PPWR, das Mehrwegsystem gewählt. Seit 2022 betreibt das kleine Team von dotch ein im Bio-Einzelhandel erfolgreich eingeführtes Mehrwegsystem für Speiseölflaschen, hatte dafür eine spezielle, herstellerindividuell etikettierbare Glasflasche entwickelt und lässt die Flaschen selbst produzieren. Den stationären Handel nennt Veronika Pfender dabei als gleichermaßen Freund und Flaschenhals für Mehrwegsysteme, da eine Umstellung sehr aufwendig und kostspielig sei. Das Angebot von dotch sei deshalb auf „Mehrweg as a Service“ ausgerichtet, wodurch der gesamte Leergutkreislauf weitgehend unabhängig vom Handel sichergestellt werden kann. Veronika Pfender ist sich sicher: „Ob Öl, Wein oder Konserven – überall, wo Glas die Verpackung der Wahl ist, ist Mehrweg nicht mehr weit!“
In der anschließenden Diskussionsrunde gehen die Expertinnen und Experten der von Juri Effenberg, Projektleiter des Regionalinkubators Berlin Südwest, aufgeworfenen Frage nach, warum angesichts der fortschreitenden allgemeinen Erkenntnis und zahlloser Good Practices die Änderungsprozesse in den verschiedensten Metiers von Wirtschaft und Gesellschaft doch so lange brauchten.
„Verhaltensänderungen sind die schwierigsten“, erklärt Meike Al-Habash. Neben überzeugenden Argumenten und konkreten Anleitungen bräuchten die Menschen attraktive Anreize und niedrigschwellige Zugänge zu neuen Systemen und Verhaltensweisen. Es müsse einfach sein und Spaß machen. Ähnlich sieht das auch Wenke Hebold: „Ein einmal etablierter Komfort wird nicht gern aufgegeben“, sagt sie und verweist auf entsprechende Forschungsergebnisse im Produktmarketing.
„Um Energieressourcen zu schonen, könnte man in Haushalten und Unternehmen den Stromverbrauch einzelner Verbrauchsstellen und Geräte mittels separater Zähler besser sichtbar machen. Dies sensibilisiert und schafft finanzielle Anreize, zu sparen“, schlägt Philipp Adelhelm vor. Rein technologisch sei das kein Problem. Weiter in der Diskussion geht es darum, inwieweit Recycling wirtschaftlich ist. Dass fortschrittliche Ideen und nachhaltige Angebote im Markt funktionieren und absatzfördernd sein können, beweise der Bio-Einzelhandel, unterstreicht Veronika Pfender. „Glasmehrweg verkauft sich in der Regel besser“, sagt sie. Bio-Märkte hätten bewusst innovative und deutlich gekennzeichnete Mehrwegflaschen neben konventionellen Einwegflaschen im Regal platziert – wobei die Entscheidungen der Kundinnen und Kunden klar zugunsten des Mehrweg-Prinzips ausfielen.
Auch Recycling-Unternehmen müssten als „Enabler“ der Kreislaufwirtschaft ständig ihre Rolle überprüfen und ihre Geschäftspolitik an neue Rahmenbedingungen, Regularien und Bedarfssituationen anpassen, ergänzt Wenke Hebold. Deshalb sei es wichtig, schnell neue verbindliche Standards zu finden, auf die sich alle Unternehmen und Akteure einigen können. Es brauche eine europäische Einigung.
Insgesamt eine überaus aufschlussreiche Veranstaltung – mit einer Menge Input und vielen Impulsen, um sich im Unternehmensalltag der Kreislaufwirtschaft zu widmen. Einer der wichtigsten Tipps dieses Abends: Jetzt mit den ersten Veränderungen beginnen – und Spaß daran haben!